Biographisches Schreiben

Sie sind so jung, so vor allem Anfang, und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.

Rainer Maria Rilke (aus einem Brief an Franz Xaver Kappus, 1903)

 

Was ist das?

Im biographischen Schreiben schreibe ich über mein Leben, vollständig und chronologisch oder Fragment-artig über mir wichtige Erlebnisse.
Ziel kann hier der entstandene Text sein (z.B. als Geschenk für die Familie) oder bereits von Anfang die Suche nach Verstehen, nach Sinn. Auch im ersten Fall wage ich die Behauptung, dass die Beschäf­tigung mit dem eigenen Leben und dessen Aufschreiben Spuren hinterlässt, nachdenklich macht und zum Nachsinnen einlädt.
Und so geht es im bio­graphischen Schreiben vor allem um dieses Nachsinnen, dem in diesem Wort schon verankerten Sinn finden in der Rückschau („nach-sinnen“).
Durch das in Worte fassen, das Finden und Verknüpfen von Zusammen­hängen, durch dieses Ordnen und Integrieren kann ich auch Halt finden in der eigenen Geschichte, mit der eigenen Identität.
Dabei wird vielleicht Belastendes zu Tage treten, vielleicht ist an der einen oder anderen Stelle ein Abschluss möglich, ein Frieden schließen mit Ereignissen oder auch Menschen auf der bisherigen Wegstrecke. Und vielleicht tauchen auch positive Dinge wieder auf, die in den Hintergrund gerückt waren: Dinge, die mir früher gut getan haben. Hier lohnt es sich, näher hinzusehen und verschüttete Kraftquellen wieder freizulegen (hier bin ich dann auch mitten im persönlichkeitsbildenden Schreiben).
Auch an die anderen Bereiche grenzt das bio­graphische Schreiben an: Methoden des kreativen Schreibens locken den Schreibfluss und die entstandenen Texte können natürlich stilistisch bearbeitet und veröffentlicht werden (literarisches Schreiben).

»Wir schreiben, um das Leben zweimal zu schmecken,
im Augenblick und im Rückblick.«

— Anaïs Nin

Wie geht das?

Ein Beispiel für bio­graphische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Jugendhilfe ist das sogenannte Lebensbuch.
Verschiedene Themen der eigenen Biographie werden bearbeitet und schön gestaltet mit dem Ziel, die Kinder und Jugendlichen bei der Auseinander­setzung mit ihrer oft schwierigen und von vielen Abbrüchen gekenn­zeichneten Lebensgeschichte und ihrer aktuell oft ebenso schwierigen Situation, z.B. durch eine stationäre Wohnform, zu begleiten. Im Vordergrund steht hier ressourcen­orientiertes Arbeiten.

»Der Mensch wird geboren, um Spuren zu hinterlassen.
Aus diesem Grund werden Erinnerungen aufgeschrieben.«

— Wilhelm Ruprecht Frieling, Goldene Worte für jeden, der schreibt

Ist das was für mich?

Das autobiographische Schreiben bietet sich für jeden an, der sich mit dem eigenen Leben auseinandersetzen will und neugierig ist auf Rück- wie aber auch Ausblicke in diesem Zusammenhang.

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